Was ist Yoga?
Yoga ist ein bereits jahrtausende altes praktisches und philosophisches Übungssystem, dessen Ursprung in Indien liegt und das sich auf den Menschen als Ganzes bezieht. Die Wurzel des Begriffs Yoga kommt aus dem Sanskrit von “yuj” und bedeutet “anjochen, zusammenbringen”. Somit meint Yoga das, was Verbindung schafft, Integration und zwar aller Aspekte unseres Seins von Körper, Geist und Seele als das Ganze. Yoga ist ein ganzheitlicher Weg der Erfahrung, Bewusstwerdung und Selbstentdeckung.
Yoga bedeutet das Weiten unseres Horizontes:
- wenn der Körper sich aus seinen Verfestigungen dehnt
- wenn der Atem wieder frei fließt
- wenn die Verhaftungen des Denkens sich lösen
- wenn Raum entsteht
- wenn die konditionierte Person sich bewusst wird über die beengte Festlegung ihres ursprünglichen Seins:
Konditionierte Festlegung = Person = Kontraktion
Ursprüngliche Natur (wahres Selbst) = Sein = Ausdehnung
Wenn wir uns für die Sichtweise des Yoga interessieren, öffnen wir uns für uns selbst. Wir werden bewusst dafür, dass wir unter der gesellschaftlichen Maske der Person (persona, griech. = Maske) bereits als unberührtes Sein sind. Das ist unser natürlicher Zustand.
Werden wir uns dieser beiden Seiten wirklich bewusst, dann haben wir die Chance, zu erkennen, was es heißt im echten Gleichgewicht “mitten auf dem Marktplatz, mitten im Job” wir selbst zu sein und dies mehr und mehr zu leben. Darum geht es in der ganzheitlichen Sicht des Yoga.
Die traditionelle Überlieferung des Yoga
basiert u.a. auf den Yogasutren des Patanjali (200 v.Chr.—200 n.Chr.), wo mit dem 8-fachen Pfad das Gerüst des Yoga dargelegt wird als:
I. Äußere Vorbereitung
- 1. YAMA — äußere Verhaltensregeln
- 2. NIYAMA — innere Verhaltensregeln
- 3. ASANA — Körperhaltung
- 4. PRANAYAMA — Atemtechniken
II. Innere Verwirklichung
- 5. PRATYAHARA — das Zurückziehen der Sinne
- 6. DHARANA — Konzentration
- 7. DHYANA — Meditation
- 8. SAMADHI — Versenkung
Worum geht es in dieser inneren Verwirklichung?
Unsere westliche und eben vor allem die gesellschaftliche Sicht legt nun nicht unbedingt so viel Wert auf diese innere Verwirklichung, jedenfalls nicht unbedingt verbunden mit diesen Bezeichnungen. Wenn wir uns dafür öffnen können, ein tieferes Verständnis dafür zu entwickeln, worauf diese Ausrichtung tatsächlich zielt, können wir sehr erstaunt sein, wie aktuell wesentlich diese Verwirklichung für uns ist, weil wir nicht frei sind von Leiden als Stress, innerer Überflutung, Unruhe und Zerstreuung.
Es geht darum:
- die Richtung unserer Aufmerksamkeit von außen nach innen zu wenden und damit um einen Perspektivenwechsel
- die Auswirkung der inneren Haltung für die äußere Haltung zu entdecken
- herauszutreten aus der Dominanz der Gedankenloopings, die unser psychologisches Leiden erzeugen
- die Stille unter der Unruhe des Geistes zu kennen
- unser wahres Selbst, den natürlichen Zustand unseres Seins wieder zu entdecken
- den Ort von Frieden, von Getragensein und Freude in sich selbst zu wissen
- authentisch sich selbst zu sein und damit voll in seine Kraft zu kommen.
Hatha-Yoga
Der Yoga, der sich vor allem bei uns im Westen verbreitet hat, ist der Hatha-Yoga, der als Oberbegriff für alle mit dem Körper und dem Atem arbeitenden Yogarichtungen gilt. Diese Richtungen setzen alle innerhalb des Hatha-Yoga ihre spezifischen Akzente. Allen gemeinsam ist die Körperarbeit in achtsamer innerer Haltung. Ob und inwieweit die Arbeit mit dem Atem, Meditation, Mantra-Gesänge und vertiefende philosophische Betrachtungen integriert werden, das variiert je nach Yogalehrer/in.
Jnana-Yoga
ist der Yoga der Weisheit und des Erkennens unseres wahren Selbst, unserer ursprünglichen Natur. Dabei geht es darum, unter unserem normalen Selbstverständnis als eine Person (griech. persona = Maske), unser zugrunde liegendes Sein zu entdecken, den natürlichen Zustand, das was von jeder Konditionierung immer unberührt ist. Die Merkmale dieser wahren Natur sind vollkommenes Okaysein, innerer Frieden, Freude, lebendige Stille, Zeitlosigkeit, Urgeborgensein.
Yoga im gesellschaftlichen Kontext
Als gesellschaftlich konditionierte Menschen sind wir bestimmt durch Bildung, Werte, Normen und Konventionen. Uns ist viel übergestülpt worden, wie wir zu sein haben, was wir zu tun und zu lassen hätten,… Da gibt es viele Ansprüche, die mit Zwängen, Druck und Forderungen an uns zutun haben. Vor allem fragt uns die gesellschaftliche Ausrichtung im:
- Tun und Erreichen
- Haben und Werden
- in der Zeit
Im Yoga ist unsere innere Haltung, die Sichtweise das Wesentliche. Hier geht es in seinem tiefsten Verständnis um unsere Anbindung an das Leben selbst, an das zugrunde liegende Sein. Deshalb kann es hier nicht wieder um die Fortführung des Bekannten gehen, sondern:
- um ein Tun ohne zu tun
- um unser Dasein
- um ein Ankommen im Hier und Jetzt
- um die Wohltat von Zeitlosigkeit
- darum, die Stille unter den Gedanken zu entdecken
- darum, uns in uns selbst zu gründen
Die Praxis und das vertiefende Verständnis des Yoga unterstützt uns darin, wieder die Balance zu finden zwischen den gesellschaftlichen Werten und Ansprüchen auf der einen Seite und dem Leben als unser ursprüngliches Sein auf der anderen Seite.
Ferner unterstützt der Yoga eine innere Haltung von Wachheit, Achtsamkeit, Gewaltlosigkeit und Gleichmut. Und mit dem entdeckten inneren Frieden beeinflusst er auch unseren äußeren Frieden, denn Frieden beginnt im Herzen jedes Einzelnen.